Pedro Calderon de la Barca

1609 – 1681

 

In Übersetzungen von:

August Willhelm Schlegel

 

 

 

Die Blumen

 

I.

 

Hier diese, wann empor der Morgen dringt,

Erwachend sich zu Pomp und Lust erheben,

Sind aber eitler Trauer hingegeben,

wann die Entschlafnen kalte Nacht umschlingt.

 

Dies Farbenspiel, das mit dem Himmel ringt,

Das Purpur, Schnee und Gold zur Iris weben,

Wird warnend Vorbild sein dem Menschenleben;

So viel ists, was ein Tag zum Ziele bringt.

 

Zum Blühn sind früh die Rosen aufgestanden,

Zum Altern haben sie die Blüt entbunden,

Die Wieg und Grab in einer Knospe fanden.

 

So haben Menschen auch ihr Los gefunden,

An einem Tage kamen sie und schwanden;

Verflossen sind Jahrhunderte nur Stunden.

 

 

II.

 

Die hellen Funken, welche dem Beschauer,

Genährt von Strahlen, die der Sonn entsprühten,

Wann sie versank, des Lichtes Blick vergüten,

Sie leben selbst nur eine Blumentrauer.

 

Nächtliche Blüten sinds: in krankem Schauer

Ermattet bald der Glanz, von dem sie glühten:

Denn wenn ein Tag das Alter ist der Blüten,

Ist eine Nacht der Sterne Lebensdauer.

 

Nach dieser Lenze schnell verwelktem Prangen

Muß unser Wohl, muß unser Weh sich färben

Ob Sonnen unter- oder aufgegangen.

 

Was könnte dauerhaft der Mensch erwerben?

Was wandelbar von Sternen nicht empfangen,

Die jede Nacht geboren wieder sterben?